"Non scholae, sed vitae discimus".
Für Gemeinschaftskunde mußten wir wirklich nicht viel pauken (ganz anders als wir erwartet hatten), dafür haben wir umso mehr fürs Leben gelernt: von Aristoteles bis Marx, von der Monroe- bis zur Breschnewdoktrin, vom Gesellschaftsvertrag bis zum Bundesverfassungsgericht. Wir haben in den zwei Jahren einen guten Überblick bekommen und unseren Horizont erweitert.
Das Kursklima war gut, vor allem, wenn unser Kurs seine Streifzüge durch die Gastronomie in Darmstadt und Umgebung veranstaltete (abends natürlich, denn wir sind gute Demokraten und haben auch die Vorbehalte einer winzigen Minderheit von einer Person (Herr Hiemenz) gegen Restaurantbesuche während der Schulzeit, wenn auch nicht verstanden, so doch wenigstens respektiert), oder wenn wir Propaganda-Schwall-Abende islamischer Fundamentalisten ohne nennenswerte Verluste überstanden hatten. Gemeinsam durchlebte Not schweißt eben zusammen!
So haben die nach dem Abgang von Thorsten Voll, der noch immer ein Buch von Herrn Hiemenz nicht zurückgegeben hat, verbliebenen zwölf Leute (elf Jungen und ein wagemutiges Mädchen) also zwei Jahre bestanden, in denen wir Diskutieren, Analysieren und Argumentieren gelernt und neben Kritikfähigkeit vor allem "Prioritäten setzen" gelernt haben (gell, Maziar!). Besondere Erwähnung verdient der Kursleiter Herr Hiemenz. Der Mann aus dem Ried (das ist eine platte Sumpflandschaft 50km hinter nirgendwo und Erscheinungsort der "Heumatzei-tung") hat sich unseres Kurses erbarmt und sich als Kursleiter zur Verfügung gestellt, nachdem, wie aus gewöhnlich gut informierten und selten verschwiegenen Quellen (Frau W.) bekannt wurde, daß alle in Frage kommenden Gemeinschaftskunde- und Ge-schichtslehrer dies abgelehnt hatten. Dafür, für seine fairen Noten und die nur seltenen Hausaufgaben (nicht aber für die hyperschwere Abitursklausur) wollen wir uns an dieser Stelle ebenso bedanken, wie für die Kursunternehmungen zu vorgerückter Stunde, zu denen er aber allerdings die ausdrückliche Ausgeherlaubnis von Frau Hiemenz beantragen mußte.
Auch wenn es nicht immer ganz leicht war, dem Unterricht zu folgen ("Die normative Kraft und der naive Voluntarismus des dogmatischen Antideterminismusses..."), die Klausuraufgaben manchmal zu Mißverständnissen führten ("kritische Geschichtsbetrachtung"), nicht alle Referate auf ungeteiltes Interesse des Kurses stießen (z.B.: "EG-Subventionen im Agrarbereich am Beispiel der Kartoffel"), die unterschiedliche Vorbildung der Kursteilnehmer, ("Spielt der Autor damit auf die de-facto-Situation des zweittari-fären Arbeitsmarktes an?" gegenüber einem aufrichtigem "Hääh?" aus der letzten Reihe), die manchen Nervenzusammenbruch verursacht hat (Reizwort: "Lüth-Urteil" ) - trotz all dessen also hat Gemeinschaftskunde (fast) immer Spaß gemacht.
Michael Hein