Schule

Das Schlachtfeld der Nation

Vorsicht ("die Oberstudienräte warnen"): der Genuß dieses Textes könnte Deine Einstellung zur Schule grundlegend verändern!

Die Schule ist für alle mindestens neun Jahre lang Pflichtherberge. Hier lernen wir die Klassengemeinschaft kennen und werden mit den ersten harten Prüfungen konfrontiert. Nach Ablauf der Schulpflicht, also nach dem neunten Schuljahr, der mittleren Reife oder dem Abitur beginnt der "Ernst des Lebens" und wir fangen an, alt zu werden. Innerhalb weniger Jahre vergessen wir all das Negative, daß wir als Schüler an der Schule so gehaßt haben und beginnen, die Realität mit süßen Erinnerungen zu verzieren, bis wir das Schlechte ganz vergessen haben. Aber das Schlechte ist es gerade, was wir nicht vergessen, sondern zu ändern versuchen sollten.

Unsere Schule, an der bestimmt noch lange nicht die schlimmsten Zustände herrschen, verkommt immer mehr. Das Kollegium altert unaufhaltsam und die letzten guten Lehrer nähern sich immer schneller ihrer Pensionierung. Was übrig bleibt, ist der letzte Rest einer "Früh-Hippie" Generation. Auffällig ist, daß man auf der Straße nur noch wenige Menschen sieht, die ihre Jugend zu dieser Zeit erlebten und noch nicht vom Wandel unserer Gesellschaft erfaßt wurden. Was ich damit sagen will, ist, daß es in keinem normalen Beruf mehr möglich ist, unter den Freizeitvorstellungen und dem Engagement von damals ein gesellschaftlich tragbares Modell zu verstehen. Für unsere Lehrer ist das kein Problem.

Wochenendarbeit ist für viele noch ein Fremdwort und flexibler Umgang mit den wechselnden Schülergenerationen für die meisten unvorstellbar. So gut wie jeder Lehrer, den ich in meiner Schulzeit an der Lichtenbergschule hatte, arbeitet noch heute mit Textvorlagen aus der ultimativen Steinzeit. Kritik bezüglich dessen führt höchstens dazu, daß man am Ende des Halbjahres eine Note schlechter wird. Da wäre zum Beispiel ein Kunstlehrer, der ein Buch als Grundlage für den Kurs "Fotografie und Film" benützt, das seit geraumer Zeit nur noch in Antiquitätenläden zu finden ist. Die Kritik des Kurses an dieser Tatsache quittierte er mit den Worten "Ich hoffe, daß ich den Großteil von Euch nächstes Jahr nicht mehr im Kurs habe." Steinzeit? Nein, das sind schon tiefste Sphären prähistorischer Fronscheiße, in denen sich solche Kommentare bewegen. Aber das liegt vielleicht an der Mentalität der Kurslehrer, immerhin gibt es da ja auch noch einen von der Sorte, die den Schülern den Gang zur Toilette verbieten, weil man sich ja unterwegs den Arm brechen könnte (damals war ich in der neunten Klasse und meinte, eigentlich schon recht sicher laufen zu können). Darüber habe ich mich dann so richtig geärgert und einen Brief an das Schulamt geschrieben, mit dem Resultat, daß ich eine Woche später von Herrn Schupp (unter Aufsicht eines Zeugen) erklärt bekam, daß man mit 14 Jahren schon alt genug sei, seine Notdurft in der Pause vor der Doppelstunde verrichten zu können, und eigentlich wissen müßte, daß sich solche Briefe an das Schulamt ganz und gar nicht schicken, zumal sie für die weitere Schullaufbahn gar nicht zuträglich sind.

Hmmmh, neunte Klasse, das war schon ein Jahr nachdem meine Französisch-Lehrerin meinen Tischnachbar zu so einem schlechten Schüler wie mir ihr herzliches Beileid aussprach (ich habe zur O'Neill nie gesagt, daß meine Nachhilfe, die eine gebürtige Französin war, mehr als einmal bei den völlig absurden Satzkonstruktionen meiner Lehrerin einen Lachkrampf bekam), aber doch noch ein Jahr vor der überaus phantastischen Skifreizeit mit den größten Massenbesäufnissen, die Tirol je gesehen hat, sowohl bei den Schülern als auch bei den begleitenden Lehrern. Unsere Klasse hat damals ein Video bearbeitet, welches Frau Güldenpenning gedreht hatte. Einen Tag, nachdem wir es unserer Klasse vorgeführt hatten, wurden wir drei, die den Film "schnitten", von unserem Klassenlehrer in einem kleinen Seitenraum höflich aber bestimmt gebeten, vor jeglicher weiteren Aufführung die Szene zu entfernen, in welcher wir das Essen der Schülergruppe mit einem bissigen Kommentar dem Essen der Begleitpersonen gegenüberstellten. So sehr war unser Lehrer um unsere eventuell gefährdete Schullaufbahn besorgt, daß er uns aufklärte, was derartige Kommentare für Folgen haben können.

Täusche ich mich, oder wird hier wirklich versucht eine Generation von Duckmäusern zu züchten? Darf man nicht einmal seine Meinung vertreten, nachdem zuvor schon zehn Lehrer die Möglichkeit dazu hatten? Wo steht geschrieben, daß ein Lehrer immer Recht hat?

Was nach außen nicht durchkommt, ist das strenge Machtgefü-ge, in dem die Lehrer täglich arbeiten. In eine Dynastie gepreßt, mit einem strengen "Chef" über sich, und einem Kollegium unter sich, das jedes Versagen, jeden kleinen Fehler mit mobbing und fiesen Kommentaren straft, das ist der Lehrer, der dann wiederum seine Wut an Schülern ausläßt. Den Letzten beißen die Hunde...

Da soll noch einer sagen, wir würden die Lehrer seelisch zu stark belasten. Die machen sich doch selbst den meisten Streß.

Marcus Tengler