Die Sommerferien waren vorbei und 16 mehr oder weniger begeisterte Schüler schleppten sich in das graue Hauptgebäude unserer geliebten Schule. Noch wußte keiner so recht, was ihn in den nächsten zwei Jahren erwarten würde. Man hatte zwar viel gehört, aber naja, es wußte eben keiner soo genau. Wie dem auch sei, wir hatten die 11 überstanden, dann würden die letzten zwei Jahre auch noch irgendwie zu schaffen sein.
Jedenfalls nahm unser schulischer Untergang folgendermaßen seinen Lauf:
Treppe rauf (hiermit meinen wir alle Treppen, Chemie ist eben doch ein sehr anstrengender Unterricht), hinsetzen, zuhören (Im wahrsten Sinne des Wortes, denn etwas anderes blieb einem kaum übrig. Irgendwann kam dabei sogar jemand auf die nette Assoziation, daß es gleich käme eine Kassette ins Ohr geschoben zu bekommen), Treppe runter (schon wieder alle, wir fordern einen Fahrstuhl!), rein ins Schülercafe und den verdienten Kaffee trinken. Kurzgesagt: Wie immer.
Nach den ersten vier Wochen allerdings fühlten sich die meisten von uns ganz schön verarscht! B.H. benahm sich uns gegenüber als wären wir postpubertäre Erstklässler. Sie ließ uns doch wahrhaftig die ganze Zeit nur den Buchstaben "C" schreiben, verbunden mit einem Strich"-". Klar, daß wir sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ernstnehmen durften.
Aus purer Rücksicht zeigten wir ihr dies natürlich nicht. Allerdings zeigte sich, daß wir mit unserer Prognose naiver Leerkörper absolut recht hatten, nachdem einige weitere Wochen ins Land gegangen waren und die berühmt, berüchtigte Kennenlernfahrt bevorstand, die uns in das wunderschöne Gießen führen sollte. Denn wenn eine Tutorin mit jahrelanger Klassenfahrterfahrung sich immernoch über kotzende Schüler der Marke "voll(tim)e Alkoholiker" (Hallo Kai Uwe) Wortlaut aufregt, dann kann man das wohl nur mit weiblicher Naivität erklären! Denn seien wir doch mal ehrlich:
Ist es nicht normal, daß man seinen Reisebehälter mit ausreichend Bierbüchsen, Wodkaflaschen, Ap-pelkorn, etc. auspolstert, um ihn auf der kilometerreichen Zugfahrt von Darmstadt nach Gießen mit ruhigem Gewissen öffnen zu können, und dies aus dem natürlichen Grund, seiner Blase den richtigen Betriebsdruck zu verleihen, daß sich dabei eine Substanz mit der chemischen Summenformel "C2H5OH" in die Blutbahn absondert, dafür kann schließlich keiner was.
Unsere Tutorin war da allerdings anderer Meinung und beendete deshalb die Kennenlernfahrt in das malerische Gießen nach einem Tag und der darauffolgenden Nacht.
Schade eigentlich, denn kennengelernt hat sich dort niemand so richtig.
Was folgte waren viele, viele Stunden Unterricht, die wir ausnahmslos in unseren, zur zweiten Heimat gewordenen, Chemiesälen verbrachten. Es wurde erstmal viel versprochen, aber auch nicht alles gehalten (eine Nebelbombe haben wir immer noch nicht gebastelt). Manch einer entdeckte ein neues Lieblingswort (Hallo Markus, wie war das mit der Intramolekularen-protonenwanderung?), und einigen gelang es sogar ziemlich schnell, immer das wichtigste, das unsere redelustige Tutorin von sich gab, heraus zu sondieren, womit deren Laufbahn in den folgenden Jahren gesichert war. Andere haben diese Kunst bis heute nicht so ganz verstanden, und einer hat es tatsächlich auch aufgegeben (Hallo Schuch-mann, Gruß an Dich!). Gerade diese Zeit war es, die von einem Satz geprägt wurde: Vergeßt einfach alles, was ihr bisher gelernt habt.
Grundfesten unseres chemischen Wissens, die man sich vorher in jahrlanger Arbeit bei Matusca oder Vollberg angeeignet hatte, wurden einfach in Frage gestellt, zerschlagen und schließlich als kleines Häufchen Staub unter den Tisch gekehrt. Wir wissen bis heute nicht, wie ein Atom wirklich aussieht und wie wir ein Elektron erklären sollen. Dabei wird es wohl auch bleiben.
Wie dem auch sei, die Zeit verging schneller, als mancher glaubte und gegen Ende lichteten sich die Reihen der Schüler. Der Kurs zeigte große Fortschritte im Begreifen einfacher chemischer Gesetze, insbesondere der Diffusion und der brown'schen Teilchenbewegung. Gesetze, die immer dann gern angewandt wurden, wenn sich unsere Tutorin mal zu spät blicken ließ.
Hennige-LK nach Rom? Nicht mit uns!
Obwohl der Name Hennige bisher immer für eine Tutfahrt nach Rom stand, sollte es diesmal anders kommen. Nachdem Amsterdam und Athen ins Gespräch gebracht worden waren, entschied sich der Kurs mit knapper Mehrheit für die Fahrt in die Inselidylle Korsikas. Dabei waren nur drei Leute der französischen Sprache mächtig, aber noch waren wir zuversichtlich und optimistisch.
Planung und Genehmigung lagen völlig in der Hand einiger weniger Schüler. Das hätte dem eher unbeteiligten Rest des Kurses schon zu denken geben sollen. Doch der, den unbeteiligten Rest meinen wir, freute sich schon auf die zwei Wochen am Strand. Auch wenn unsere Tutorin da noch anderer Meinung war: "Das euch das klar ist. Dies wird kein Badeurlaub! Wir haben volles Programm - alle zwei Wochen lang!" Na ja, zumindest war dies die offizielle Fassung. Viele, viele Unterrichtsstunden wurden genutzt, um dieses Thema ausführlichst zu diskutieren. Dann begann das Schwitzen. Wird die Fahrt nun genehmigt oder nicht. Von einem offiziellen Programm hatte zwar jeder im Kurs schonmal was gehört, doch nur die wenigsten hatten es je zu Gesicht bekommen. Es blieb Legende, so wie der Yeti. Darüber hinaus traute sich unsere sonst nicht gerade wortkarge Tutorin nicht in die Höhle des Löwen, sprich zu Herrn Direktor Schupp, um ihm den Zielpunkt unserer Tutfahrt zu unterbreiten. Währenddessen machten sich andere, hier nicht näher benannte Lehrkörper, freudig daran, unsere Moral und unseren Optimismus auf eine schwere Probe zu stellen. "Korsika? (gehässiges Lächeln) Das bekommt ihr nieee genehmigt!" "Ich wollte mal mit meinem Kurs nach Malta, haben die auch abgelehnt."
Bei all den zynischen Bemerkungen und dem Pessimismus sahen wir uns schon nach Alternativen um, Amsterdam war' ganz gut, Rom auch nicht schlecht und Amsterdam war' ganz lustig.
Doch (traraaa) allen Zweiflern zum Trotz, wir durften nach Korsika und wieder waren alle (alle?!?) glücklich und der Weltfrieden war wieder hergestellt, und wer hätte es gedacht, kurz nachdem es raus War, das mit Korsika, trotteten wieder ein paar Lehrkörper vorbei: "Ich hab' jetzt grad' nen Bio-LK nächstes Jahr will ich auch nach Korsika. Kann ich mal das Programm sehen?" Tsjaja, das ominöse Programm.
Trotzdem schienen zwei, vorher schon irgendeinen Braten zu riechen und sprangen vorzeitig ab. Wie dem auch sei, die restlichen, unerschrockenen Dreizehn, sammelten sich zu später Stunde am Darmstädter Hbf, um die lange Reise anzutreten. Dort trafen wir auch unsere weiteren Begleiter: Ulli Schatz, mit der sich einige ganz gut anfreundeten, und ein weiteres Wesen, mit dem sich niemand so recht anfreunden wollte. Desweiteren wurden wir von unserem Sponsor Gatorade-Ulli ausgestattet und erfuhren, daß unsere wortgewandte Tutorin leider den Chemiekasten, der wohl mehr als die Hälfte unseres ominösen Pro-grammes ausgemacht hätte, zu Hause vergessen hat. Dies trug ein wenig zur Auflockerung der Atmosphäre bei und man begab sich freudig in den Zug.
Zwei lange, lange Tage später, in denen wir viele, viele Kilometer mit Zug - insbesondere da hatten wir unseren Spaß, als es unsere wie immer sehr mitteilsame Tutorin einem Fremdenlegionär ermöglichte, unter ihrem Sitz schwarz zu fahren. Zum Dank bekam sie dann ein Messer geschenkt. Nein, nicht in den Rücken, sondern wirklich aus Dankbarkeit! - und Schiff bewältigt hatten, erreichten wir das ruhige und idyllische Korsika. Unsere erste Busfahrt war dann auch gleich der erste Schock: 400 Frooh (Richtig! Die Autoren sind des Französischen nicht mächtig, aber wir glauben, gehört zu haben, daß es etwa so geschrieben wird: Franc) für eine Busfahrt, in der wir sage und schreibe zwölf Kilometer zurücklegten. Vielleicht hätte doch jemand mit dem Mann verhandeln sollen.
Völlig geschlaucht kamen wir schließlich in unseren Bungalows an, mit denen wir gar nicht so schlecht lagen. Zum Glück wurde der Vorschlag des Wesens, gleich mal eine Wanderung zu machen, von der Allgemeinheit abgeschmettert. Nichts desto trotz hieß unser Motto in den ersten Tagen: March ör Die.
So liefen wir erst in die eine Richtung, bis wir dort nicht mehr weiterkamen. Dann liefen wir in die entgegengesetzte Richtung, bis wir keine Lust mehr hatten, denn da kamen wir immer weiter und weiter und weiter. Unsere Begleitpersonen wurden unterdessen immer nervöser, denn außer Strand und Meer gab es hier nicht viel zu sehen. So folgte denn auch unser erster Freier auf dem strandigen Küstensand, der sich in der Hitze trotz einer hübschen Nacktheit ausholten ließ. Immer wieder wurde eine Krisensitzung einberufen, aber alle Versuche, die Situation zu retten, scheiterten kläglich. Interessant waren nur die Besuche in Ajaccio, besonders wenn wir Auslauf hatten und nicht gerade die Museen (oder doch Museums?) der Stadt abklapperten.
An diesem Punkt stellen sich die Autoren immer noch die Frage, wie es unsere redselige Tutorin geschafft hat, den gesamten Kurs als Unter-16-jährige kostenlos ins Napo-Museum zuschmuggeln. Wahrscheinlich hat ihr dabei das Messer des Legionärs gute Dienste geleistet.
Kurz gesagt, die landschaftlichen Sehenswürdigkeiten waren uns nach drei Tagen durchaus vertraut, die lebenden Sehenswürdigkeiten, die hier bestimmt nicht unerwähnt bleiben sollen, befanden sich in Ajaccio, einem Ort zu dem wir nur unter bestimmten Sternenkonstelationen gelangen konnten, denn nur dann fuhren Busse. Nachts war da natürlich gar nichts zu machen. Wir saßen also alle am A.... der Insel fest. Dies hatten dann auch unsere Begleitpersonen desillusioniert festgestellt, nur hatten sie fast eine Woche länger dafür gebraucht als der Rest des Kurses...
Abschließend wäre vielleicht noch eine schweißtreibende Fahrt mit Wanderung (wie sollte es auch anders sein?) zu einem Gebirgssee, vorbei an Erdbeerbäumen und saftigen Wiesen, zwischem bodenlosen Schluchten auf der einen und steilen, scharfkantigen Felswänden auf der anderen Seite, zu erwähnen. Eher unerwähnt sollte die Kassette des Busfahrers bleiben, die wir an diesem Tag auswendig lernten.
Die letzten Tage haben wir dann mit Beachvolleyball und Kronenbier am Strand verlebt. Das Motto der letzten Tage war dann: Sun, Sex and Fun. Wobei es mit dem Sex, allein wegen der oben angesprochenen Problematik, etwas schwierig war. Fun wollte sich auch nicht so recht bei allen einstellen und mit der Sun war es dann auch bald vorbei, denn Korsika weinte zu unserem Abschied. Auf der Fähre wurden wir von einem niedlichen Sturm bis nach Marseiile begleitet, der den ein oder anderen von uns veranlaßte, sich von seinen Ravioli zu verabschieden (Hallo Olaf, alles klar?). Nach unserer minutiös geplanten Heimfahrt, erreichten wir geschlaucht die Heimat, die uns gleich mit winterlichen Temperaturen empfing. So mancher holte sich dabei noch eine böse Erkältung.
Damit wären wir im wahrsten Sinne des Wortes am Ende. Bedanken möchten wir uns noch für die gründliche Vorbereitung auf das Abitur. Dafür, daß der falsche Vorschlag dran kam und wir das meiste umsonst gemacht haben, kann schließlich niemand etwas.
Markus Hohmann,